Prosa: Titel

Prosa: Titel

Der Barde spricht ...
Na, wenigstens singt er nicht
... zur versammelten Versammlung
... und Versammlunginnen
Ruhe!!
Wo?
Barden erzählen Geschichten. Solche, die tradiert sind ...
tradere, trado, trabbi, traditum
... und solche, die tradiert werden.
... und kolportiert.
Falsch. Koloriert.
in Cinemascope?
Ignorant! Satis! Satis!
Immer diese Bildung. Bildet sich ein, ...
Keine Einbildung. Läßt mich hier mal jemand aussprechen?
Nein.
Ich laß´ gleich meinen Titel ´raushängen.
Dir hängt immer ganz was anderes raus ...
Ja, die Zunge. Immer versuche ich, Dir zuvorzukommen, und du ...
bist zuvorkommend.
Kommt vor. Ich laß´ gleich meinen ...
Titel. Schon wieder Titel. Titten sind mir lieber.
Vulgär. Schnauze, sonst Beule!
...
Na bitte. Also, ich ...
Wie darf ich Dich titulieren?
... weiterreden? Ach ja, die tradiert werden. Es begab sich also, daß
So fangen die meisten Geschichten an.
Das ist das Problem mit meinem alter ego. Immer vorlaut.
Genau wie Du.
(Seufz). Es begab sich also, daß sich in einem Dorf am Rand der Zivilisation ...
...
(nanu?) drei Männer trafen.
Wo ist die Frauenbeauftragte?
IM URLAUB!
Alle lebten schon lange dort und hatten über die Jahre ihr Leben aufgebaut. Die Menschen
... und -innen ...
achteten sie ob ihres Erfolges, und etliche munkelten, sie besäßen so etwas wie Weisheit. Der erste war Bauer und fuhr jedes Jahr seine Ernte ein, die war so prächtig, wie man es sich nur vorstellen kann.
SO wenig?
(Mangelnde Vorstellungskraft ...)
Bäh!
Der zweite war Zimmermann, und kein Haus im Dorf, das jünger als er war, hatte ihn nicht gebraucht. Seine Balken waren die geradesten und stabilsten im ganzen County.
Come to the Marlboro country!
County, du Depp! Nicht Country!
Bounty?
Nein, Mars, Saturn, du begreifst das eh´ nicht. Seine Dächer hielten, was er versprach. Der Dritte war Dichter ...
... als die Dächer?
... und unterhielt die Leute, brachte ihnen auch etliches bei und hielt die Tradition aufrecht.
Nichttraditionen, raus!
Wie in einem Dorf üblich, waren die drei weitläufig verwandt. So trafen sie sich oft, tranken und diskutierten gemeinsam und mochten sich. Das ging lange Zeit gut so. Bis eines Tages ...
Aufgemerkt, jetzt kommt der Punkt, wetten?
Nein, ein Komma! , als der Sommer besonders schön und die Felder in voller Pracht standen, ein Fremder ins Dorf kam, der noch nie dort gesehen worden war.
Das ist das Leidige bei den Fremden, gell?
Er gab an, auch Suche zu sein ( was er sucht, ließ er im Unklaren ) ...
Aber die Klaren mochte er.
und suchte und fand Quartier im Haus des Bauern. Das war das größte. Täglich schaute er den Leuten bei der Arbeit zu, verschwand ab und zu im Wald, zahlte regelmäßig seine Miete und fand sich abends zum Bier ein. Als eines Abends bei besagtem Bier ...
Das im Ãœbrigen unsäglich war. Don´t stay a bit longer!
den dreien zuhörte, erhob er sich nach einer der alten Geschichten und sagte dem Dichter:
"Ihr seit wirklich ein file. Achtung und Ehre Euch!"
Der Bauer und der Zimmermann machten ein langes Gesicht. Warum, dachten sie, ehrt er uns nicht? Wir tun doch unsere Arbeit auch, und zwar gut. Diesen Abend ließen sie sich nichts anmerken, aber die Geschichte hatte einen Schleier zwischen sie und den Dichter gelegt.
Ziemlich schleierhaft, das Ganze. Was wollen uns diese Worte sagen?
Hat der Pfeil des Ärgers sich erst einmal zitternd im Herzen festgesetzt, so quillt es bald über. So verging keine ganze Woche, und die beiden besprachen unter vier Augen - also insgesamt unter 36 - die Sache. Bald war ihnen klar: Auch ich verdiene einen Titel!
Flugs firmierten sie ab sofort als Agrarökonom und als Ligninstruktureur, ließen die Bezeichnungen auch über ihren Häusern anbringen und waren es zufrieden. Die anderen Menschen
... und -innen!
nahmen es erst verwundert, dann mit Ehrfurcht hin und gebrauchten die Titel hinfort. Das behagte den beiden sehr, und sie sonnten sich im neu gewonnenen Licht der Verehrung. Bald schon sahen sie auf den Dichter herab, der weiterhin nichts als seine Geschichten im Kopf trug ....
... und den Gedanken, wen er als Nächste flachlegen würde ...
und tat, was er tun mußte. Die gemeinsamen Besäufnisse wurden seltener, die Kleidung feiner, und bald brachten die zwei einen Großteil ihrer Zeit damit zu, allen zu erklären, was eine gewichtige Aufgabe der Ligninstruktureur wohl sei und was für Fertigkeiten man dafür brauche.
Im Herbst, als die ersten Stürme den Winter ankündigten ...
Hört, ihr Leute, laßt euch blasen: euer Sommer ist ...
(Einwurf des Setzers: DIE PUNKTE GEHEN MIR AUS!)
hatten beide nicht nur an Körpergewicht, sondern auch sowohl an Status als an Schülern gewonnen. Die verbrauchten verständlicherweise Zeit, brachten aber auch Geld mit.
Und hatten anschließend keines mehr.
Sie lernten in der Theorie die Feinheiten des Holzbaues oder des Haferanbaues und schätzten sich glücklich, solche Lehrer zu haben. Der Dichter indes
Na, er wird einfach weitergesoffen haben.
Danke, stimmt. Und er erfand weiter Geschichten. Schließlich kam der Herbst heran, und die Ernte mußte eingebracht werden. Da stellte der Agrarökonom-Schüler fest, daß er ob seiner Ausbildung versäumt hatte, sein Feld zu bestellen, und nichts als Unkraut darauf wuchs. Der, der Zimmermann werden wollte, hatte keine Balken zugeschnitten, und seine Säge war verrostet. Ihre Meister fanden ihre eigenen Felder ungepflegt, und das eine oder andere Haus hatte immer noch Löcher im Dach. Als ein Hausbesitzer sich darob beschwerte, schickte der Zimmermann ihn nach Hause mit dem Bemerken, er sei schließlich der Lignin u.s.w. und er habe keine Zeit für solch Kleinkram. Ähnlich erging es denen, die Getreide kaufen wollten.
Das Dumme an den Geschichten ist, daß kein ALDI-Markt in der Nähe ist!
Mit näherrückendem Winter wurden es allerdings immer mehr unzufriedene Leute. Schließlich fanden die zwei Titelträger, das Dorf sei ihrer nicht würdig, packten ihre Siebensachen und zogen ins Land hinaus. Das letzte, was sie von ihrem Dorf sahen, war der Dichter, der vor der Schenke saß, sein Bier trank und gerade seinem Kollegen einen vollen Krug entgegenschob.

- EOT -