Hags Head

Grundbegriffe der Astronomie

- eine Folge kleiner (P)Artikel

7. Fackeln in der Nacht

7.0 Sonne, Mond und Sterne

Es ist Sylvester und die Nacht knackig kalt und klar - das richtige Wetter zur Beobachtung des Himmels. Ich liebe den Winter hauptsächlich deswegen, weil dann so viele helle Sterne zu sehen sind - und um die geht es in dieser letzten Folge der Astronomie-Serie.

Von den am Himmel sichtbaren Objekten hatte ich bisher nur Sonne, Mond und Planeten näher beschrieben und auch erklärt, daß die Planeten und ihre Monde nur das Licht der Sonne reflektieren. Was aber sind nun Sterne?

7.1 Alte Vorstellungen

Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung hatte niemand eine rechte Idee, was Sterne wohl sein könnten. Leuchtende Punkte am dunklen Himmel halt, einige heller, andere schwächer. Die ersten "Theorien" besagten, daß der Himmel ein dunkles Zelt ist, hinter dem ein ewiges Feuer leuchtet - und sich in diesem Zeltstoff etliche Löcher befinden, durch die das Licht dringen kann. Nach Ptolemäus waren die Sterne Leuchtpunkte, die an die äußerste Himmelssphäre geheftet waren - die inneren Sphären dienten den Planeten als Aufenthalt. All diesen Vorstellungen war eines gemeinsam: wie die Sterne leuchten, wußte niemand zu erklären, und die Sterne waren der Erde relativ nahe.


Erst Johannes Kepler beschäftigte sich intensiver mit der Frage der Sternentfernung. Er ging dabei von der Planetenbewegung aus, so wie ich sie in der letzten Folge beschrieben habe. Wenn, so Keplers Argumentation, die Erde um die Sonne "kreist", dann muß ein Beobachter auf dieser Erde einen Stern mal aus der einen, mal aus der anderen Richtung sehen - kurz, innerhalb eines halben Jahres Beobachtungszeit müßte der Stern eine Parallaxe aufweisen ( s. Fig. 7.1 ). So sorgfältig Kepler auch die hellsten Sterne beobachtete, er konnte keine Parallaxe nachweisen. Statt nun die Theorie der Erdbewegung über Bord zu werfen, nahm er kühn an, die Parallaxe sei zwar da, aber zu klein, um gemessen zu werden. Folglich waren die Sterne sehr, sehr weit von der Erde weg.

7.2 Entfernte Verwandte

Wie weit sie entfernt sind, konnte erstmals Friedrich Wilhelm Bessel 1837 abschätzen: ihm gelang es, an einem Stern im Sternbild Schwan eine Parallaxe zu messen. Sie betrug 0,3 Bogensekunden ( 1 Grad = 60 Bogenminuten = 3600 Bogensekunden ) ; somit war der Stern 100 Billionen ( Millionen * Millionen ) Kilometer entfernt. Dagegen ist die Sonne mit 149 Millionen Kilometern recht nahe dran. Im Laufe der Zeit gelang es, von etwa hundert uns nahen Sternen die Entfernungen direkt zu bestimmen. Dabei zeigte sich, daß der oben genannte Stern noch einer der nächsten Vertreter ist - die meisten Entfernungen sind sprichwörtlich "astronomisch" groß.

Um mit diesen Entfernungen umgehen zu können, gibt es zwei neue Entfernungseinheiten: zum einen das Lichtjahr, also die Strecke, die das Licht innerhalb eines Jahres zurücklegt - etwa 9 Billionen Kilometer. Der von Bessel vermessene Stern ist also ca. 11 Lichtjahre entfernt.

Die zweite Entfernungseinheit ist das parsec - das ist die Entfernung, von der aus der Erdbahnradius unter dem Winkel von einer Bogensekunde erscheint - etwa 3,26 Lichtjahre. Zum Vergleich: zum Mond ist es gerade eine Lichtsekunde, unsere Sonne ist knappe 8 Lichtminuten entfernt, bis zum Pluto braucht das Licht 5 1/2 Stunden. Der nächste Stern, Proxima Centauri, ist 4,2 Lichtjahre entfernt. Beteigeuze, der linke Schulterstern des Orion, ist etwa 500 Lichtjahre entfernt. Und doch - selbst diese Entfernungen sind, kosmisch gesehen, gering.

7.3 Die Milchstraße und andere Galaxien

Wie sind die Sterne im Raum verteilt? Ein Blick zum Himmel zeigt Sterne in jegliche Richtung, es kein Schema erkennbar. Was allerdings auffällt, ist - besonders im Winter - ein schwach leuchtendes, diffuses Band - die Milchstraße. Sie besteht, so zeigen es die großen Fernrohre, aus Abermilliarden Sternen, Sternen, die so weit entfernt sind, daß wir sie mit bloßem Auge nicht als einzelne Pünktchen wahrnehmen können. Eingehende Untersuchungen führen zur Annahme, daß diese Sterne tatsächlich zusammengehören, also durch die Schwerkraft aneinander gebunden sind. Sie bilden zusammen eine flache Scheibe, einem Diskus vergleichbar, mit einem Durchmesser von etwa 100.000 Lichtjahren und einer Dicke im Zentrum von 10.000 Lichtjahren. Die Sterne kreisen um das Zentrum dieser Milchstraße.

Mit zunehmender Leistungsfähigkeit der Fernrohre entdeckten die Astronomen an Stellen, an denen wir "aus der Milchstraße heraus" gucken können, kleine Lichtflecke, die sie "Nebel" nannten. Edwin Hubble erkannte um 1920 herum, daß diese Nebel nichts anderes sind als andere Milchstraßensysteme. Mit dem griechischen Wort werden sie "Galaxien" genannt. Jede Galaxie enthält wie unsere Milchstraße Milliarden von Sonnen. Und ihre Entfernungen sind gewaltig: die nächste Galaxie - Andromeda - ist etwa 2 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Die fernsten Sternsysteme, die wir zur Zeit beobachten können, sind etwa 10 Milliarden Lichtjahre von uns weg.

7.4 Warum leuchtet ein Stern?

Unsere Sonne beliefert uns ständig mit Energie. Auf die gesamte Erde wirken 170 Millionen Gigawatt ein. Zum Vergleich: ein Atomreaktor liefert bestenfalls einige Gigawatt. Aber woher kommt diese immense Energie?

Den Anhaltspunkt liefert eine Spektralanalyse des Sonnenlichtes. Das Licht wird durch ein Prisma geführt und dabei in die einzelnen Farben zerlegt. Weißes Licht besteht als allen Farben gleichzeitig, im Sonnenspektrum fehlen allerdings einige Farben. Die genaue Analyse zeigt, daß dafür bestimmte chemische Elemente verantwortlich sind. Die Sonne besteht zum größten Teil aus dem einfachsten Element, dem Wasserstoff - sie ist also einfach ein riesiger Gasball. Im Inneren dieses Gasballes herrscht ein so hoher Druck ( 221 Milliarden Atmosphären ) eine eine so hohe Temperatur ( 15 Millionen °Kelvin ), daß die Wasserstoff-Ionen, die sich sonst weiträumig meiden, zusammenstoßen und zu Helium-Ionen verschmelzen. Da ein Helium-Ion aber leichter ist als die vier Wasserstoff-Ionen, aus denen es entsteht, wird die Massendifferenz gemäß der berühmten Formeln von Albert Einstein ( e = m * c 2 ) in Energie umgewandelt. Das ist der gleiche Mechanismus, wie ihn die Menschen in der Wasserstoff-Bombe als "ultimativer Waffe" nutzen. In der Sonne hält dieser Prozess schon einige Milliarden Jahre an und wird auch ähnlich lange Zeit weitergehen.

Untersucht man die Spektren von Sternen, so zeigen sie Ähnlichkeit mit dem Sonnenspektrum. Die Schlußfolgerung ist einfach: jeder Stern ist eine eigene Sonne, oder andersherum: unsere Sonne ist der Stern, der uns am nächsten liegt.

7.5 Werdegang eines Sterns

Nach den gängigen Theorien entsteht ein Stern, wenn sich Wasserstoff durch die eigene Schwerkraft zusammenfindet. Nach und nach ensteht ein Gasball, der durch die größer werdende Masse schwerer und durch die zunehmende Dichte heißer wird - ähnlich, wie die Luft in einer Luftpumpe warm wird, wenn sie zusammengedrückt wird. Irgendwann ist die Temperatur im Inneren des Proto-Sterns so groß, daß - wie oben erläutert - Wasserstoff zu Helium "verbrannt" wird - der Stern leuchtet auf. Wie lange er brennt, hängt von seiner Masse ab: ein recht kleiner Stern wie die Sonne leuchtet Milliarden von Jahren, riesige Sterne wie Beteigeuze verbrennen ihren Wasserstoff viel schneller innerhalb weniger Hundert Millionen Jahre. Und dann?

Irgendwann ist im Sterninneren nicht mehr genug Wasserstoff, um die Energieproduktion aufrechtzuerhalten. Dadurch fällt der Strahlungsdruck weg, die Schwerkraft zieht den Stern enger zusammen. Nun steigt die Temperatur im Stern soweit an, daß Helium weiter zu Kohlenstoff und anderen Elementen "verbrannt" wird. Um diesen Helium-Brennkern bildet sich eine Schale, in der weiterhin Wasserstoff umgewandelt wird. Der Stern erzeugt jetzt viel mehr Energie als vorher, er bläht sich auf und wird zu einem roten Riesen. Irgendwann ist auch das Helium aufgebraucht. Ist der Stern schwer genug, wandelt er nunmehr Kohlenstoff zu weiteren Elementen bis hin zu Eisen um. Wenn auch diese letzte "Brennphase" zu Ende geht, bricht die Energieproduktion völlig zusammen. Der Stern stürzt innerhalb von wenigen Sekunden ineinander, die Masse, die sich treffen, prallen voneinander ab und werden nach außen geschleudert. Binnen kurzem wird der Stern zerrissen und verteilt seine Materie wieder in den Raum heraus. In diesem Prozeß werden auch noch schwerere Elemente als das Eisen gebildet und im All verteilt.

Wenn wir also heute unsere Erde und uns selber sehen, so können wir von uns sagen, daß wir aus der Asche von ausgebrannten Sternen bestehen

Unserer Sonne wird ein solches Schicksal wohl nicht bevorstehen - sie ist zu klein. In etwa 2 bis 3 Milliarden Jahren wird sie das Helium-Brennen beginnen und eine weitere Milliarde Jahre später verlöschen. Was übrig bleibt, ist ein "weißer Zwerg", der immer kühler und dunkler wird und irgendwann völlig erlischt.

8.0 Schlußgedanken

Hier endet meine kleine Astronomie-Serie. Klar, es gibt noch wesentlich mehr zu erzählen, von Asteroiden, Kometen, Nebeln, Schwarzen Löchern und roten Riesen, von Dunkelwolken, unsichtbarer Materie und Gravitationslinsen, vom Steady-State-Universum und Parallelwelten, von Dunkler Energie und weißen Zwergen, von Quasaren und Raumvakuolen. Aber das zu erforschen, sich in das hineinzulesen und immer wieder ins Staunen zu kommen, das überlasse ich euch. Hier nur noch soviel:

Wenn ihr die Geschichte der Astronomie betrachtet, dann seht ihr auch, wie der Mensch sich selber sieht. Von der in sich geschlossenen, ruhenden Auster der Babylonier über das ptolemäische System mit der Erde in der Mitte bis zum Keplerschen System, in dem die Erde - und mit ihr der Mensch - nur ein Teil der Welt und nicht die Mitte ist; von dort aus über die Vorstellung unserer Galaxis als gesamtes Weltall, in dem die Sonne ein eher unbedeutender Stern ist, bis zu Hubbles Erkenntnis, daß auch die Galaxis nur eine von vielen Milliarden Galaxien ist - immer wieder wurde der Mensch im Vergleich zum Universum kleiner und unbedeutender. Und dennoch gibt es uns, und wir denken über das Weltall und uns selber nach. Und je mehr wir darüber nachdenken, desto deutlicher wird - gerade auch in den modernsten Welttheorien -, daß auch die Wissenschaft zwar Beschreibungen, aber keine Erklärungen liefern kann. Die Schöpfung ist ebensowenig wie die Götter ableitbar.
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