Grundbegriffe der Astronomie
- eine Folge kleiner (P)Artikel
2. Die Sicht der Dinge
Jeder, der Sonne, Mondin und Sterne
beobachtet, tut dies von der Erde aus - von den wenigen
Astro-/Kosmo-/Taikonauten einmal abgesehen. Um Beobachtungen richtig
deuten
zu können, ist es notwendig, den eigenen Standpunkt und seine
Bewegungen zu kennen - die Sicht der Dinge ist halt eine andere, wenn
man das Spiel der Planeten nicht von außen betrachtet, sondern
selbst Mitfahrer auf einem dieser Himmelskörper ist.
Hauptsächlich zwei Bewegungen
machen dem erdgebundenen Astronomen zu schaffen: die Rotation
der Erde um sich selber und die jährliche Bahnbewegung um
die Sonne. Dabei ist das noch harmlos: wenn, wie projektiert,
große
Teleskope auf dem Mond errichtet würden, müßte sich
der Beobachter auch noch damit abfinden, daß sein Standpunkt
unablässig um die Erde kreist, die - auf der erdzugewandten
Seite - wie angenagelt an einem Fleck des Himmels verweilt. (Johannes
Kepler hat diese Sicht der Dinge in seinem - unvollendeten
- Buch Somnium köstlich ausgemalt).
2.1 Die Erdrotation
Die erste der Bewegungen ist die
Rotation der Erde. In recht guter Annäherung ist die Erde
eine Kugel, die sich um eine Achse dreht, die durch ihren Mittelpunkt
führt. Diese Achse hat zwei Pole: der Südpol ist in
der Richtung, in der Mittags die Sonne steht, der Nordpol in
der entgegengesetzten Richtung. Blicken wir nach Süden, so ist
linker Hand Osten und rechter Hand Westen. Die Erde
dreht sich nun nach Osten; entsprechend sieht es aus, als ginge die
Sonne im Osten auf, laufe nach Süden und gehe im Westen unter.
Durch diese Drehung der Erde um sich selbst wird auch eine
grundlegende Zeiteinheit definiert: die Zeitspanne, die zwischen
einem Tageshöchststand der Sonne bis zum nächsten vergeht,
nennen wir einen Tag.
Zum Vergleich von
Himmelsbeobachtungen ist es notwendig, den Ort, von dem man aus die
Gestirne anschaut, zu kennen und anderen mitzuteilen. Dazu denkt man
sich nun um die Erde herum Kreise, die durch beide Pole gehen, und
erhält ein Netz von Längenkreisen. Ein Ort, der auf
einem dieser Kreise liegt, hat eine bestimmte geographische
Länge.
Durch Übereinkunft ist geregelt, daß der Längenkreis
(Meridian), der durch Greenwich bei London verläuft, die
Länge Null hat. Insgesamt gibt es 360 ganzzahlige
Längenkreise,
die von Null entweder bis 180 Grad östlich oder bis 180 Grad
westlich gezählt werden. Warendorf i.W. (da, wo ich
wohne) liegt auf 8,0 Grad östlicher Länge - folglich geht
in Münster die Sonne etwas eher auf als in London.
Kreise um die Erde, die senkrecht zur
Erdachse stehen, heißen Breitenkreise. Die Breite Null
hat der größte aller Breitenkreise, der Äquator.
Es gibt insgesamt 180 ganzzahlige Breitenkreise - gezählt werden
sie von Null bis 90 Grad nördlicher Breite ( das ist der Nordpol
) oder bis 90 Grad südlicher Breite ( das ist - na, was wohl? ).
Um wieder Warendorf als Beispiel zu nehmen: diese Stadt liegt auf
52 Grad nördlicher Breite. Die Kombination von Längen- und
Breitenangaben beschreibt einen Ort auf der Erde genau. (Fig. 1) Die
folgende Tabelle zeigt ein paar weitere Beispiele.
Beispiele für Ortsangaben
Ort |
Östl. Länge |
Nördl. Breite |
Nordpol |
0 |
90,0 |
Kiel |
10,1 |
54,2 |
Berlin |
13,4 |
52,4 |
Hannover |
9,7 |
52,4 |
|
Münster |
7,6 |
52,0 |
|
Frankfurt (Main) |
8,7 |
50,1 |
|
Nürnberg |
11,1 |
48,5 |
München |
11,6 |
48,1 |
Doolin, Irland |
-9,35 |
53,01 |
2.2 Der Umlauf um die Sonne
Die zweite der Bewegungen ist der Umlauf der Erde um sie Sonne. Vereinfacht dargestellt,
bewegt sich die Erde in einer elliptischen Bahn um die Sonne; diese
steht in einer der Brennpunkte der Ellipse. Die Ellipsenform der Bahn
ist allerdings nicht sehr ausgeprägt: die kürzeste
Entfernung zur Sonne, das Perihel, die um den 3. Januar
auftritt, beträgt 147 Mio. km, die größte Entfernung
- das Aphel - etwa am 4. Juli 152 Mio. km. Um auf ihrer Bahn
um die Sonne wieder die gleiche Stellung in Bezug auf die Fixsterne
zu erreichen, braucht die Erde ein Jahr - eben jene gewohnten 365,25
Tage. Da ein Vollkreis just 360 Grad hat, kann man vereinfacht sagen,
daß die Erde sich pro Tag um rund ein Grad - von der Sonne aus
gesehen - weiterbewegt.
Diese Bewegung der Erde vollzieht sich in einer Ebene. Diese Bahnebene wird Ekliptik genannt.
Sie ist einer der wichtigen Bezugspunkte für die Beobachtungen der Gestirne.
Nun ist, wie gesagt, die Erde unser Standpunkt, von dem wir aus beobachten. Wenn auch die Erde sich um
die Sonne dreht, so sieht es von der Erde so aus, als bewege
sich die Sonne vor dem Hintergrund der Fixsterne. Folglich liest man
in astronomischen Jahrbüchern denn auch des Öfteren, die
Sonne "durchschreitet das goldene Tor der Ekliptik".
Das ist zwar recht anschaulich, darf aber nicht dazu verleiten, zu
vergessen, wer sich hier bewegt. Wenn ich im Folgenden
Formulierungen wie "die Sonne holt Jupiter ein"
verwende, wißt ihr, wie das gemeint ist.
2.3 Wo, bitte, geht's zum Mars?
Schön, nun habe ich dargelegt,
wer sich im Sonnensystem wie bewegt, und könnte daran gehen,
daraus abzuleiten, wie das Ganze dann am nächtlichen Himmel
aussieht - aber wie soll ich das beschreiben? Wie erkläre ich
jemandem, der irgendwo weit weg von mir ist, wo nächste Woche
Mars zu finden ist? Nur zu sagen Ja, also, wenn Du um Zwölf
nach Süden guckst, ist Mars ein Stückchen rechts davon und
ein bisserl höher hälfe nicht viel. Alle mond- und
sternsüchtigen Menschen brauchen also ein gemeinsames
Bezugssystem - und davon gibt es gleich mehrere, von denen hier zwei
vorgestellt werden.
2.3.1 Das Azimutsystem
Das einfachste System ist das
Azimutsystem. (Fig. 2) Dazu stellt euch bitte einen Feldstecher vor,
der auf einem normalen Stativ befestigt ist. Zum einen könnt ihr
das Stativ um die senkrechte Achse drehen, zum anderen den
Feldstecher auf- und niederkippen. Die Drehung um die Stativachse
beschreibt den Azimutwinkel - das ist der Winkel, um den ich
das Stativ von der Südrichtung drehen muß, bis der
Feldstecher in die richtige Richtung zeigt. Um nun beispielsweise die
Mondin anzupeilen, müßt ihr dann noch das Gerät aus
der Waagrechten anheben - der so entstehende Winkel ist die
Höhe.
(Das ist ja die Höhe!!) Wenn ich euch also sage, daß am
soundsovielten Dezember in Frankfurt/Oder um 20°° Uhr Mars
bei -10° Azimut und 30° Höhe steht, könnt ihr ihn
einwandfrei anpeilen.
Das Azimutsystem hat allerdings einen
Haken - die Werte verändern sich mit der Zeit. Nehmt die Sonne
als Beispiel - auch wenn sie sich innerhalb eines halben Tages nicht
sonderlich gegen den Sternenhintergrund bewegt, steht sie doch
morgens im Osten (Azimut -90°) und Abends im Westen (Azimut
+90°). Um zu beschreiben, wo ein Gestirn in Relation zu den
anderen Gestirnen steht, ist das System also schwerfällig.
2.3.2 Das Äquatorsystem
Das zweite System bedient sich einer
ähnlichen Idee wie das Koordinatensystem der Erde. Zur
Vereinfachung geht es davon aus, daß die (Fix-)Sterne reichlich
weit von uns auf einer Kugelschale angeheftet sind. Diese
Kugelschale, deren Inneres wir sehen, wird wie die Erde von einem
Gradnetz überzogen. Praktischerweise legen wir das Netz so an,
daß es die gleiche Achse wie die Erde hat - oder bildlich
gesprochen, die Verlängerung der Erdachse die "Himmelskugel"
in deren Nord- und Südpol trifft. Entsprechend gibt es
"Breitenkreise" auf der Himmelskugel allerdings nennt sich
die "Höhe" eines Sterns nicht Breite, sondern
Deklination. Die "Länge" eines Sternes -
entsprechend den Längenkreisen der Erde - wird als Rektaszension
bezeichnet. Da das Deklinationssystem sich auf die erwähnte
Himmelskugel bezieht, bleiben die Deklinations- und
Rektaszensionswerte eines Fixsternes stets gleich. (Fig. 3) Bleibt
die Frage, wo der "Nullpunkt" ( der Null-Meridian ) dieses
Systems ist.
Unter anderem dieser Frage geht die nächste Folge nach - mit dem Titel Wie laufen sie denn?
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Literatur:
- Arthur Koestler: Die Nachtwandler Emil Vollmer Verlag, Wiesbaden
- DTV-Atlas zur Astronomie, Ausgabe 1973, ISBN 3-423-03006-2
- Hans-Ulrich Keller: Das Kosmos-Himmelsjahr 1995, ISSN 0439-1551